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Im Todestal an Grenzen gestoßen

Von Nicole Unruh
Bühlertal-BT – Radfahren gleicht hierzulande häufig einem Spießrutenlauf. Autos parken auf Radwegen, Busse
halten zu wenig Abstand, der Verkehr ist allgegenwärtig. Den Wunsch, auf Drahteseln die Natur pur zu erleben, haben sich Klaus Mast und Gerhard Vollmer vom Radsportverein Falkenfels aus Bühlertal erfüllt: Innerhalb von zwölf Tagen fuhren sie 1 700 Kilometer durch die heiße Wüste des US-Bundesstaates Nevada.

„Für uns ist der Weg das Ziel“, erläutert Mast die Gründe für die anstrengende Tour. „Mit dem Auto düst man durch die Landschaft, ohne sie richtig wahrzunehmen. Vom Fahrrad aus sehe ich viel mehr Dinge, und man kann die menschenleere Natur auf sich wirken lassen.“ Der Werkzeugmacher hatte im Vorjahr bereits eine ähnliche Reise gemacht, sein Kollege Vollmer begleitete ihn im Oktober erstmals.

Von Las Vegas aus starteten die beiden auf dem Highway 375, der zu den am wenigsten befahrenen Landstraßen der USA zählt. Glaubt man Erzählungen der Einheimischen, kommen die -Verkehrsteilnehmer in diesen Breiten eher aus der Luft. „Die Kneipen hängen voll mit Ufo-Bildern und entsprechenden Berichten“, erzählt Vollmer. „Und Ortsschilder weisen darauf hin, dass die Zahl der außerirdischen Einwohner unbekannt ist.“ Den beiden Bühlertälern ist allerdings kein Alien erschienen. Schon bald erkannten die beiden Sportler, dass auch die Angaben auf der Landkarte mit Vorsicht zu genießen waren. Ihre zweite Nacht verbrachten sie in einem leergeräumten Wohnwagen, da in dem groß angekündigten Nest weit und breit kein Hotelzimmer aufzutreiben war. Ein anderer eingezeichneter Ort entpuppte sich. als einsame Tankstelle, die zum Verkauf stand. Entlang der Mojave-Wüste ging die Tour weiter Richtung Death Valley. Starker GegenwindX40 Grad im Schatten und ansteigende Straßen machten den Werkzeugmachern zu schaffen. „Nach dem ersten Tag war ich breit ohne Ende“, gesteht Vollmer. Radtaschen und Wasserproviant erschwerten das Radeln zusätzlich.

Als Vollmer in Bühlertal die erste Probefahrt mit Gepäck unternahm, „habe ich schon schwarz gesehen“, erinnert er sich – so schwer fiel es ihm, auf dem Drahtesel mit „Liegelenker“ die Balance zu halten. Nach den knapp 2 000 Kilometern als „Packesel“ durch die Wüste musste er sich dagegen erst wieder an ein Rad ohne Lasten gewöhnen.

Speichenbruch bei 50 Grad im Schatten

Auf den Highways begegneten den beiden wesentlich mehr Taranteln als Autos. „Und als Radler bist du der völlige Exot“, betont Mast schmunzelnd. Die meisten Fahrer hielten an, zollten den Badenern Anerkennung für ihre Leistung und erkundigten sich, ob es Probleme gebe. Auf der Fahrt hinab ins Death Valley wurden sie auch schon mal kritisch beäugt. Mit zehn Litern Wasser, Lichtschutzfaktor 26 auf der Haut und 70 Sachen pro Stunde rasten die Rad-Amateure in die Senke des Todestals, vorbei an Lehmhügeln und Dornpflanzen. Die Tagestemperatur schätzen sie auf etwa 50 Grad – „nachts um elf Uhr waren es noch 36“, so Mast. Wegen der Hitze brachen die Bühlertäler am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang auf, aber sie kamen nicht sehr weit: Bei Vollmers Rad brachen die Speichen, fluchend wurde das Werkzeug ausgepackt. !

Nach der Reparatur drosselte die stechende Sonne das Tempo, der Wind mutierte laut Mast zur „Fön-Welle“. Statt der durchschnittlichen 140 Kilometer pro Tag legten die Sportler im Tal „nur“ 90 Kilometer zurück. Von den zehn Litern Wasser blieb “kein Tropfen übrig. Mit Hilfe eines Pulsmessers achteten sie darauf, dass sie sich nicht überanstrengten. Nach weiteren sieben Tagesetappen, zum Teil entlang des Joshua Tree Nationalparks, und vier platten Reifen erreichten die Werkzeugmacher ihr Ziel, die Stadt Phönix. Mit einem Mietwagen fuhren die Bühlertäler noch ins Monument Valley und auch zum Grand Canyon. Dort wurden sie bereits auf den Kälteschock vorbereitet, der ihnen Ende Oktober in Baden bevorstand: Es schneite.

„Von der Belastung und auch der Landschaft her war das Death Valley der Höhepunkt der Fahrt. Ich habe erlebt, was es heißt, an Grenzen zu stoßen“, sagt Vollmer. „Ab und zu tauchte schon der Wunsch nach einem Biergarten auf“, ergänzt sein Reisepartner schmunzelnd. Ans Aufgeben haben die beiden Sportler des RSV Falkenfels, die jährlich rund 12 000 Kilometer auf dem Rad zurücklegen, aber nie gedacht. „So ein Abbruch „würde mich mein ganzes Leben lang verfolgen“, versichert Mast glaubhaft. Im Gegenteil: Für 1999 plant er bereits die nächste Tour durch menschenleere Gebiete.

Foto: Vollmer / Badisches Tagblatt

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